WM 1998 (I) – BLACK / BLANC / BEURRE??
Obwohl Gastgeber Frankreich Weltmeister wurde, kritisierte der französische Rassist und Rechtextremist Jean-Marie Le Pen die „rassische Zusammensetzung“ der L’Équipe Tricolor. Spieler wie Sabri Lamouchi, Zinédine Zidane, Youri Djorkaeff, Christian Karembeu und Bernard Lama wurden von Le Pen konsequent als „Ausländer“ bezeichnet, die die französische Nationalität nur gewählt hätten, um international Fußball spielen zu können.
Das Team, mit dem Frankreich ins Turnier ging, war das multikulturellste, das eine WM je gesehen hatte, und der 3:0-Finalsieg über Brasilen geriet zum harten Schlag ins Gesicht von Rassisten und Rechtsextremisten. Aus den Nationalfarben „bleu-blanc-rouge“ (blau-weiß-rot) wurde über Nacht „black-blanc-beur“ – schwarz, weiß und die dunkle Tönung der maghrebinischen Einwohner. Das französische Team demonstrierte der ganzen Welt, „dass Rassenvielfalt ein nationales Guthaben sein kann, wen alle gemeinsam ein Ziel verfolgen“, wie der Spiegel schrieb.
„Frankreich hat seine Seele wiedergefunden“
Die siegreiche Équipe Tricolore wurde zum Symbol eines neuen Republikanismus und der Überlegenheit republikanischer Werte. Für Staatspräsident Chirac hatte „Frankreich seine Seele wiedergefunden“. Der Philosoph Pascal Bruckner sah sein Land aus einer „Depression“ heraustreten, die Frankreich zehn Jahre niedergedrückt habe: „Der Sieg wird wahrgenommen wie eine Wiedergeburt unserer selbst nach einer Periode der Finsternis.“ Der Schriftsteller Jean d’Ormesson frohlockte, der Fußball sei das „konstitutive Element – vielleicht das einzige – eines neuen Gesellschaftsvertrags.“
Doch die mit dem Sieg von black-blanc-beur verbundenen Hoffnungen entfalteten keine Nachhaltigkeit. Nur vier Jahre nach dem WM-Triumph konnte Jean-Marie Le Pen in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen den Kandidaten der Sozialisten, Premierminister Lionel Jospin, auf Platz drei verweisen, unterlag in der Stichwahl dann jedoch Amtsinhaber Jack Chirac.
Dietrich Schulze-Marmeling
Bei diesem Text handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung eines Beitrags aus dem Buch „Boykottiert Katar 2022! – Warum wir die FIFA stoppen müssen“, 2021 erschienen im Verlag Die Werkstatt.