Kriterien für die Auswahl von Gastgeberländern internationaler Sportveranstaltungen

Vorbemerkung: Anlässlich der Klub-WM 2023 in Saudi-Arabien und im Nachgang der WM 2013 in Katar haben wir darüber diskutiert, welche Anforderungen vor allem in Hinblick auf die Menschenrechtssituation an ein Gastgeberland zu stellen sind. Einen ersten Entwurf dazu haben wir mit Vertreter:innen von Menschenrechtsorganisationen diskutiert. Hier lest ihr die endgültige Fassung.

Unter dem Text findet ihr eine Liste von Gruppen, die unser Anliegen und den Kriterienkatalog unterstützen. Bitte schickt uns weiterhin ein Feedback – dass ihr diese Überlegungen für richtig haltet, dass ihr sie im Namen eurer Gruppe mittragen wollt… oder auch, was ihr falsch oder unvollständig findet. Gerne über das Kontaktformular auf der Startseite ganz unten. 
Vielen Dank!

 

Weltweit findet fast jede Woche eine internationale Sportveranstaltung statt. Gastgeber sind in den letzten Jahren verstärkt Länder mit autoritären Regimes. Diese nutzen den Sport, der für friedlichen Wettstreit, für Begeisterung und Leidenschaft, für Völkerfreundschaft steht, um die von ihnen zu verantwortenden Demokratiedefizite und Menschenrechtsverletzungen in ihren Ländern zu überspielen und ihr internationales Renommee aufzupolieren. Mithilfe der Sportereignisse präsentieren sie sich als sicherer, zuverlässiger, leistungsstarker und weltoffener Partner der Weltgemeinschaft. Dieses „Sportswashing“ ist nicht neu (man denke nur an die Olympischen Spiele 1936 in Berlin), und es findet sich seit je auch im Fußball (z.B. WM 1934 in Italien, 1978 in Argentinien), dem wir leidenschaftlich verbunden sind und auf den wir uns im Folgenden konzentrieren.

Für den Fußballweltverband FIFA scheinen – trotz ihrer 2017 formulierten Ethik-Richtlinien – Demokratiedefizite und Menschrechtsverletzungen keine maßgeblichen Kriterien bei der Auswahl des Gastgeberlandes zu sein. Dafür steht nicht nur die WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022. Sechs der letzten sieben Klubweltmeisterschaften vergab sie an Golfstaaten. Die autoritären Herrscher in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar und Saudi-Arabien versprachen nicht nur viel Glanz, sondern vor allem mehr Profit und eine störungsfreie Durchführung der Turniere. Diese FIFA-Politik ruiniert den Fußball.


Wir halten es daher für notwendig, dass FIFA und UEFA „rote Linien“ bei der Vergabe von internationalen Turnieren beachten. Grundsätzlich sollte ein Gastgeberland aktiv Friedenspolitik betreiben, Menschenrechte gewährleisten sowie den Werten von sozialer Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und sportlicher Fairness verpflichtet sein. Mit diesen Grundsätzen prinzipiell unvereinbar ist es, wenn Gastgeberländer: 

  • Menschenrechte, wie sie in der UN-Menschenrechtscharta verankert sind, systematisch verletzen – durch Gesetz, Rechtsprechung, staatliche Repression oder behördliche Duldung 
  • für die Vorbereitung und Durchführung des Turniers Menschenrechte verletzen, eine schon prekäre Menschenrechtssituation in dem Land noch verschärfen oder Nachhaltigkeitskriterien missachten
  • einen völkerrechtswidrigen Krieg führen
  • bestimmte Bevölkerungsgruppen gezielt diskriminieren
  • soziale Ungleichheit durch gezielte Benachteiligung bestimmter Arbeitsnehmergruppen (insbesondere Arbeitsmigrant:innen) verstärken
  • ein Dopingsystem praktizieren oder dulden.

 

Uns ist bewusst, dass es kein diskriminierungsfreies Land gibt und jedes große Turnier eine ökologische Herausforderung darstellt. Entlang der genannten Kriterien ist zu beurteilen, ob ein Land als Gastgeber geeignet erscheint, welche konkreten Forderungen für die Austragung erhoben werden oder ob ein Land als Gastgeber grundsätzlich abzulehnen ist.

Die Beurteilung darf nicht allein dem verantwortlichen Verband überlassen werden. Zu beteiligen sind Gutachter:innen von einschlägigen nichtstaatlichen Institutionen, etwa Menschenrechtsorganisationen. Auch nach der Vergabe ist die Vorbereitung und Durchführung des Turniers von Unabhängigen zu kontrollieren und bei etwaigen Menschenrechtsverstößen zu sanktionieren.

 

Fairness United, September 2023

Bisherige Unterzeichner 

Schalker Fan-Initiative e.V. 

FC Ente Bagdad 

Gesellschaftsspiele e.V. 

Löwen-Fans gegen rechts 

Blau-Weiß statt Braun (KSC-Fans gegen Nazis) 

Ulrich-Biesinger-Tribüne e.V. („Die Kurve des FC Augsburg“) 

Schwarz-Gelbe Essener e.V. (BVB-Fanclub) 

Rot-Blau.com (Fans des Wuppertaler SV) 

„Sektion Krönchenstadt“ (Fans Sportfreunde Siegen von 1899 e.V.) 

St. POP (Fans des FC St. Pauli) 

Evangelische Jugend in Bayern, ej-sport 

Projekt Trauer und Fußball 

Brennpunkt Orange (Podcast) 

BiBaBuze (Buchhandlung, Düsseldorf) 

Lotta (Kneipe, Köln)