Der BVB und Rheinmetall:
„Zwei passende Partner“?
BVB-Fans schieben derzeit in zweierlei Hinsicht Frust: Zum einen wegen des unglücklich verlorenen CL-Finales. Und zum zweiten, weil ihr Verein – als erster Fußballklub in Deutschland – ein millionenschweres Sponsorengeschäft mit einem Rüstungskonzern abgeschlossen hat, mit der Rheinmetall AG, einem der größten Munitions- und Waffenproduzenten der Welt. Beim Finale im Wembley entrollten BVB-Fans zwei Riesenbanner mit der Aufschrift „Rheinmetall: Mit dem Fußball zum Saubermann.Image? – Protecting BVB from Sportswashing is our Mission“. Eine eindeutige und vollkommen richtige Stellungnahme.
Der bisherige BVB-Boss Watzke hatte den lukrativen Deal damit begründet, dass „Sicherheit und Verteidigung die Eckpfeiler der Demokratie“ seien. Mit dem Sponsorvertrag wollen „wir diesen Eckpfeiler schützen“. Und Rheinmetall-Chef Papperger erklärte: „Mit dem BVB und Rheinmetall haben sich zwei Partner gefunden, die mit ihren Ambitionen, ihrer Haltung und ihrer Herkunft gut zueinander passen.“ Es wäre schlimm für den BVB, wenn es so wäre.
„Nach unten offene Geldgier-Skala“
Zunächst mal: Dass in Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine die Frage einer militärischen Verteidigung eine neue Dimension erfahren hat, ist eine Sache. Natürlich hat die Ukraine das Recht, sich zu verteidigen, und dafür braucht es nun mal Waffen, und die müssen irgendwo produziert werden. Rheinmetall macht dabei Bombengeschäfte, verdoppelt seinen Umsatz, verfünffacht seinen Aktienkurs und kann daher locker ein paar Millionen für Imagewerbung ausgeben. Das ist die eine Seite.
Wenn Watzke die Ukraine und die Demokratie unterstützen will, dann hindert ihn und den BVB nichts daran, entsprechende Projekte zu fördern oder zu initiieren: Hilfslieferungen ins Kriegsgebiet, Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge, Diskussionsforen über die „Zeitenwende“ etc. Statt zu geben, kassiert er lieber ab und erreicht damit „einen neuen Tiefpunkt auf einer anscheinend nach unten offenen Geldgier-Skala“, wie „Unsere Kurve“ richtig kommentierte. In dieser Hinsicht sind Watzke und Papperger tatsächlich Brüder im Geiste.
Denn das ist die andere Seite: Mit Rheinmetall wird kein Demokratie-Verteidiger „Champion Partner“ des BVB, sondern ein Unternehmen mit einem (freundlich ausgedrückt) überaus zweifelhaften Leumund. Rheinmetall bedient Diktatoren in aller Welt mit Waffen, wurde wegen massiver Bestechungen noch 2014 zu einem Bußgeld über 37 Millionen Euro verdonnert und wegen der Produktion von Uranmunition aus dem Portefeuille diverser Investmentfonds ausgeschlossen. Um das zu wissen, reicht schon ein kurzer Blick auf den Wikipedia-Eintrag.
Geschäfte mit Putin
Schaut mensch sich die Firmenpolitik näher an, fällt gleich ein pikantes Detail ins Auge: Rheinmetall, das uns vor Putins Armeen schützen soll, hat bis vor kurzem lukrative Deals mit Russland gefeiert. 2011 wurde der Vertrag über ein hochmodernes Gefechtsübungszentrum abgeschlossen. „Der Konzern erhoffte sich den Einstieg in einen riesigen Markt, Russland mit dem Übungszentrum als ein Kernelement bei der Modernisierung seiner Armee“, heißt es dazu bei „tagesschau.de“. 2014 sollte das Zentrum einsatzfähig sein. Kleines Problem: Anfang 2014 annektierte Russland völkerrechtswidrig die Krim, und die Bundesregierung stoppte den Deal. Daraufhin forderte Rheinmetall, das Exportverbot aufzuheben – oder Schadensersatz in Höhe von 130 Millionen Euro. Pikanterweise ergaben die Prozessunterlagen, dass insgesamt sogar acht Ausbildungsanlagen geplant waren und dass die damalige CDU/FDP-Bundesregierung den Deal massiv gefördert hatte. Der früh involvierte Verteidigungsminister Franz-Josef Jung wechselte übrigens später in den Rheinmetall-Aufsichtsrat. Sein Nach-Nachfolger Thomas de Maiziere erklärte bei der Vertragsunterzeichnung 2011, Deutschland habe ein Interesse „an einer modernen russischen Armee, die gut geführt ist“.
Zur Erinnerung: 2011 waren die autokratischen und repressiven Züge des russischen Putin-Regimes längst offensichtlich, ebenso seine aggressive imperiale Politik bei den militärischen Konflikten um Tschetschenien und Georgien. Rheinmetall und die damalige Merkel-Regierung störte das nicht sonderlich – und Rheinmetall noch nicht einmal nach der Einverleibung der Krim. Das Geschäftsmodell dieser Firma ist nicht die Verteidigung der Demokratie, sondern die Lieferung von Waffen – an wen auch immer.
Natürlich hat Rheinmetall, 1889 gegründet, in der Vergangenheit an beiden Weltkriegen gut verdient und insbesondere Hitlers Wehrmacht mit Maschinengewehren, Schrappnellgeschossen, Feldkanonen und anderen tödlichen Waffen ausgestattet. Noch heute rühmt sich das Unternehmen auf seiner Homepage, dass es im Zweiten Weltkrieg trotz Widrigkeiten wie Personalmangel und bürokratischer Hürden die Waffenproduktion habe hochhalten können – dank guter politischer Connections und dem Einsatz von Zwangsarbeitern (wörtlich nachzulesen im Anhang am Ende dieses Textes). Allein im Zweigwerk Unterlüß wurden bei Kriegsende rund 5.000 osteuropäische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene befreit; zeitweise waren dort (laut Wikipedia) auch ungarische Jüdinnen aus einem Außenlager des KZ Bergen-Belsen eingesetzt worden. Die Aufarbeitung dieser üblen Geschichte ist – soweit aus der Homepage des Unternehmens erkennbar – bis heute lückenhaft und schönfärberisch.
Geschäfte mit Saudi-Arabien
Diese Ignoranz ist wenig verwunderlich. Das lehrt uns ein Blick in die jüngere Geschichte des Konzerns, den der Report „Hemmungslos in alle Welt – Die Munitionsexporte der Rheinmetall AG“ gewährt (Autor Ottfried Nassauer, Herausgeber die Heinrich-Böll-Stiftung; im Internet abrufbar).
Seit der Nazi-Zeit hat sich demnach wenig geändert: „Zu den Kunden Rheinmetalls gehören Staaten, die Krieg führen ebenso wie solche, die in Krisengebieten liegen und auch Länder, in denen die ‚Sicherheitskräfte‘ Diktaturen und autoritäre Regierungen an der Macht halten. Skrupel lässt der Konzern kaum erkennen.“ Im Gegenteil: Der Konzern setzt alles daran, solche lukrativen Geschäftsbeziehungen zu erhalten. Gegen mögliche Rüstungsexportverbote verfolgt Rheinmetall eine intensive und vermutlich teure Lobbyarbeit. Sollte es dennoch zu Ausfuhrverboten in „problematische“ Länder kommen, hat die Firma Wege gefunden, diese Verbote zu umgehen: Sie verlagert die Produktion halt in einen Drittstaat und beliefert das fragliche Land über Tochter- oder Gemeinschaftsfirmen. Oder baut gleich Fabriken in den „problematischen“ Regionen.
Natürlich zählte Saudi-Arabien zum direkten Kundenkreis. Mehrfach hat das saudische Regime Rheinmetall-Munition zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung verwendet. Es sind aus 2014 Fälle bekannt, bei denen gegen oppositionelle Schiiten Schock- und Splittergranaten aus Rheinmetall-Produktion eingesetzt wurden.
Im Golfstaat Bahrein wurde 2011 die Protestbewegung im Zuge des „Arabischen Frühlings“ mit massiver Gewalt niedergeschlagen, auch mithilfe von saudi-arabischen Militärkräften. Auch in diesem Fall stammten die eingesetzten Granaten aus der Produktion diverser Rheinmetall-Tochterfirmen u.a. in Südafrika und den USA. Solche Auslandstöchter sprangen auch ein, als nach dem Mord am saudischen Journalisten Khashoggi 2018 direkte Waffenexporte aus Deutschland durch die Bundesregierung verboten wurden. Ein Rheinmetall-Sprecher erklärte damals, die Munitionslieferungen im Wert von über 100 Millionen Euro an Saudi-Arabien gingen nach dem Exportverbot natürlich weiter.
Auch im Jemen-Krieg, wo Saudi-Arabien als Kopf einer Militärkoalition maßgeblich mitmischt, ist Rheinmetall mit im Spiel. So konnte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beispielsweise nachweisen, dass 2015 bei einem Luftangriff, bei dem 27 Menschen (darunter 17 Kinder) starben, Bomben eingesetzt wurden, die aus einer italienischen Rheinmetall-Tochter stammten. Diese Firma belieferte auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Mitglied der saudischen Kriegskoalition, mit Bomben. Die Rheinmetall-Tochter RWM Italia machte 2014 und 2015 rund zwei Drittel ihres Umsatzes allein mit Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate. In den Emiraten, genauer: in Abu Dhabi, produziert eine Fabrik, die von Rheinmetall geplant und mit gebaut wurde, inzwischen auch eigene Waffen.
Auch in Saudi-Arabien werden inzwischen mit Rheinmetall-Hilfe Waffen produziert. Die entsprechende Fabrik wurde von der südafrikanischen „Rheinmetall Denel Munitions“ (RDM) angeboten und im Jahr 2013 realisiert. Unter anderem wird dort das deutsche Sturmgewehr G36 in Lizenz gebaut. Geplant ist vermutlich auch die Herstellung von Artilleriemunition und Bomben. Im Report „Hemmungslos“ heißt es dazu: „Der Fall zeigt, dass sich die Rheinmetall AG auch für den Bau von Munitionsfabriken über das südafrikanische Joint Venture RDM die Möglichkeit geschaffen hat, politische Vorgaben für Rüstungsexporte aus Deutschland präventiv zu umgehen.“
Fazit des Reports zu Rheinmetalls Saudi-Arabien-Connections: „Der Konzern beliefert eine autokratisch-regierende Monarchie, die sich nicht scheut, mit brutaler Gewalt gegen politische Kritiker und religiöse Minderheiten vorzugehen und dabei die Menschenrechte zu missachten.“
Grund genug also für die Rheinmetall-Bosse, ihre frischen Millionenprofite für den klassisches Sportswashing einzusetzen. Mit tatkräftiger Beihilfe des Ballspielvereins Borussia 09 Dortmund.
Anhang
Zitate aus der Selbstdarstellung „125 Jahre Rheinmetall – die Jahre 1936 bis 1945“
„Im Jahr 1943 war die Deutsche Wehrmacht an allen Fronten im Westen und im Osten in schwere Kämpfe verwickelt. Zahllose Mitarbeiter der Rheinmetall-Borsig AG waren zum Fronteinsatz eingezogen, viele von ihnen bereits gefallen. An ihrer Stelle verrichteten Frauen und Zwangsarbeiter ihre Arbeiten in der Rüstungsproduktion. Was bei allem Mangel und Notstand jedoch noch ausgezeichnet zu funktionieren schien, war die Bürokratie. Selbst die für den immer noch erhofften „Endsieg“ notwendige Waffenfertigung wurde durch sie immer wieder ausgebremst. Das betraf sowohl die Beschaffung von Arbeitskräften – selbst die von Zwangsarbeitern –, als auch die Verlegung von Betrieben.“
„Dennoch – irgendwann platzte auch einem der Berliner Werksdirektoren der Kragen. Als es 1942 darum ging, dass die Tochtergesellschaft Maget – der Name stand für „Maschinen- und Gerätebau Tegel“ – ein neues Gebäude errichten musste, um die Produktion des Maschinengewehrs MG 42 erhöhen zu können, verlangte das Bauaufsichtsamt die üblichen Papiere. Sie betrafen die Statik des Gebäudes, die Geländebeschaffenheit, die Höhe, die vorgesehene Produktionstätigkeit und, und, und... Der Vorgang zog sich wie viele andere kriegswichtige Vorgänge quälend in die Länge. Schließlich schaltete sich Geschäftsführer Priebe ein und schrieb in einem geharnischten Brief: „Wollen Sie, dass wir Ihnen schnellstmöglichst ein Werk zur MG-Fertigung aufbauen, oder dass wir Ihnen einen Lastwagen voll Papier vor die Tür stellen?“ Dies zeigte offenbar Wirkung – bereits wenige Monate später war der Bau abgeschlossen, und die Produktion konnte beginnen.“
Quelle: https://www.rheinmetall.com/de/unternehmen/historie/geschichten-rheinmetall/jahre-1936-1945