Benjamin Best: 

Unermüdlich am Ball gegen Wettbetrug

Im Wett-Business sind nicht "nur" Suchtgefahr und Sucht bittere Hauptbestandteile, auch organisierte Manipulation und Betrug gehören seit Jahren dazu. Darüber sprachen wir kurz mit dem engagierten Journalisten Benjamin Best, der sich seit über einem Jahrzehnt mit diesem Thema auseinandersetzt.

Fairness United: Sie haben 2013 "Der gekaufte Fußball" veröffentlicht und 2020 "Verbrechen am Fußball". Was ist seit dieser Recherche aus Ihrer Sicht die größte Veränderung im Fußball-Wettgeschäft?

Benjamin Best: Die größte Veränderung ist, dass seit 1. Juli 2021 der Sportwettenmarkt in Deutschland reguliert ist. Aktuell sind laut der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) 31 Wettanbieter in Deutschland und lizenziert und stehen auf einer Whitelist. Zusätzlich gibt es Veränderungen im Wettangebot: Livewetten sind stark eingeschränkt und Wetten auf Amateur- und Jugendspiele sind verboten.

FU: Wie bewerten Sie die Wirkung der Forderungen des Suchtbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert?

BB: Zuallererst: Sportwetten sind in Deutschland nicht verboten. Trotzdem gibt es erhebliche Risiken. Die Verbindung von Sportwetten und Fußballwerbung ist aus der Perspektive von Spielsuchtprävention und Jugendschutz problematisch. Die emotionale und kulturelle Bedeutung des Fußballs wird ausgenutzt, um Menschen in die Welt der Sportwetten zu ziehen, was insbesondere bei Jugendlichen langfristige negative Folgen haben kann. Sportwetten können ein erhebliches Suchtpotenzial haben. Insbesondere durch aggressive Werbung wird der Eindruck vermittelt, dass Wetten einfach und gewinnbringend sei, was risikobereite Personen, darunter Jugendliche, anfällig machen kann. Daher würde ich eine strengere gesetzliche Regelung für Sportwetten begrüßen.

 

Gerade ist Bests aktuelle Dokumentation "Spielverderber - wie Wettbetrüger den Fußball manipulieren" veröffentlicht - eine Recherche von WDR und Sport Inside:

https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL3Nwb3J0c2NoYXUuZGUvNzdjNzJkMGMtNWM2NS00Njk5LWEyMWQtNDBkNDZkYWRmZjIy/

So haben wir nicht gewettet!

Zum dominanten Auftreten von Wettanbietern im deutschen Fußball

Überall begegnen sie uns, die Sportwetten und die Glücksspiele: Ob auf den Trikots der Fußballspieler, in der Halbzeitpause oder in den Großstädten mit auffälligen Wettbüros. Wettanbieter haben sich mittlerweile fest im deutschen Fußball etabliert. Fast jeder Verein der 1. Bundesliga ist mit einem Wettanbieter als Sponsor verbunden, mit Ausnahme des VfL Bochum, dessen Vertrag mit sportwetten.de jedoch schlicht ausgelaufen ist und nicht aus moralischen Gründen beendet wurde. Anbieter wie bwin und Tipico dominieren nicht nur die Werbeflächen, sondern auch den gesamten deutschen Fußballmarkt. Tipico ist der „offizielle Partner“ der DFL, bwin sponsert die 3. Liga. Der DFB hat Tipico, bwin und Interwetten als offizielle Partner. Die 1. und 2. Bundesliga sind durchzogen von Wettwerbung, und auch in der Berichterstattung auf Sky sind diese Anbieter praktisch allgegenwärtig.

Diese ständige Präsenz bleibt nicht ohne Folgen. Der Wett- und Glücksspielmarkt saugt jährlich Milliardenbeträge aus den Taschen der Spieler, während die Risiken von Spielsucht und Wettsucht in den glänzenden Werbekampagnen der Anbieter kaum thematisiert werden. Prominente wie TV-Moderatorin Laura Wontorra (NEO.bet) oder Schauspieler Frederick Lau (Bet365) verharmlosen in ihrer Werbefunktion die Gefahren des Glücksspiels – bewusst oder unbewusst. Ihre Unterstützung suggeriert, dass Sportwetten eine harmlose Unterhaltung seien. Ein fataler Trugschluss.

Die Sportpresse übt zunehmend, aber noch recht leise Kritik an dieser Entwicklung: In der Zeitschrift „11 Freunde“ wurde etwa Frederick Laus Werbung für Bet365 hinterfragt. Der Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, warnte vor den Folgen des Sponsorings und forderte strengere Werbeeinschränkungen. Blienert unterstrich, dass es am Ende die Fans sind, die mit ihren Einsätzen und ihrer Gesundheit für dieses milliardenschwere Geschäft zahlen – mit gravierenden Auswirkungen auf ihr soziales Umfeld und ihre finanzielle Sicherheit.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut dem Glücksspiel-Survey 2021 des Bundesministeriums für Gesundheit haben fast 30 Prozent der Menschen in Deutschland zwischen 16 und 70 Jahren im letzten Jahr an einem Glücksspiel teilgenommen. Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer glücksspielbezogenen Störung – eine Zahl, die die sozialen und gesundheitlichen Risiken der zunehmenden Normalisierung von Glücksspiel deutlich macht. Gerade erst hat das Fachblatt „Lancet Public Health“ mit der Wissenschaftlerin Heather Wardle von der Universität Glasgow an der Spitze laut und explizit gewarnt; die Autoren gehen von 80 Millionen Erwachsenen weltweit aus, die an Glücksspielsucht leiden. Das Team fordert, diese Spiele als Problem der öffentlichen Gesundheit zu verstehen – ebenso wie Tabak oder Alkohol.

Trotz dieser Alarmzeichen bleibt die Werbung für Wettanbieter im Fußball und in den Medien weitgehend unbeschränkt. Die Einführung des neuen Glücksspiel-Staatsvertrags im Jahr 2021, der eine strengere Regulierung vorsieht und mit der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) eine zentrale Kontrollinstanz geschaffen hat, kann das drohende Gefahrenpotenzial noch nicht vollständig eindämmen.

Die zunehmende Sichtbarkeit und Umsatzstärke von Glücksspiel und Sportwetten stellt ein wachsendes gesellschaftliches Problem dar, das nicht ignoriert werden darf. Es ist höchste Zeit, dass auch in Deutschland strengere Werbeeinschränkungen für Wettanbieter im Fußball und anderen Sportarten durchgesetzt werden. Andere Länder wie Italien haben bereits seit 2019 ein umfassendes Werbeverbot für Glücksspielprodukte eingeführt, um die Risiken durch übermäßige Werbung zu minimieren. Brasilien hatte Sportwetten erst 2018 legalisiert – jetzt schon droht Präsident Lula angesichts der verheerenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen für Familien mit einem Sportwettenverbot.

Die Glücksspielindustrie muss in Deutschland stärker kontrolliert werden, auch in Bezug auf die mögliche Manipulation von Wettquoten und Spielverläufen. Die jüngsten Skandale rund um manipulierte Wetten, etwa bei Bet Best, zeigen, wie anfällig der Sport für diese Art von Korruption ist. Datenlieferanten wie Sportradar haben hier eine wichtige Rolle inne, indem sie verdächtige Wettmuster überwachen und transparent machen. Doch auch der DFB, die DFL und die GGL müssen endlich klare Maßnahmen ergreifen, um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken. Wettmanipulation muss im deutschen Fußball genauso konsequent bekämpft werden wie die Werbeindustrie für Wettanbieter.

Fußball muss endlich wieder für sportliche Werte stehen und nicht für die Profitgier von Wettanbietern. Wir fordern den DFB, die DFL und die GGL auf, endlich entschiedene Schritte zu unternehmen und die Werbung für Wettanbieter massiv zu reduzieren, um die Gefahren für die Gesellschaft zu minimieren. Fußball darf nicht als Plattform für riskante Glücksspielangebote missbraucht werden.

Wetten, dass ihr für diese Erkenntnis angesichts des Lockrufs des Geldes wieder richtig lange braucht?